Am 6. Dezember 1963 bekam Murnau das Zertifikat „Luftkurort.Das Zertifikat hat die Marktgemeinde vor allem einem großen Engagement seiner Bürger zu verdanken, hebt Hruschka hervor. Im Jahr 1958, erzählt sie, gründeten Dr. Hellmuth Reif, der Arzt Dr. Josef Busch und andere Murnauer das „Kuratorium Bad Murnau“. Sie setzten sich dafür ein, eine Kureinrichtung aufzubauen. Den geeigneten Standort fanden sie im Ostteil des Seidlparks. Das Kurhaus Ludwigsbad eröffnete 1960. Das Haus mit 70 Betten und sechs Moorkabinen konnte ganzjährig Kurgäste empfangen. Für die heilenden Behandlungen griffen die Ärzte auf das Bergkiefernhochmoor vom „Langen Filz“ im Murnauer Moos zurück. Doch die Kuren sollten nicht die einzigen Annehmlichkeiten sein, die die Gemeinde für ihre Gäste einführte. 1962 kam die Kurkarte, die Touristen ermäßigten Eintritt ins Murnauer Strandbad oder zu verschiedenen Veranstaltungen ermöglichte. Das Kuratorium wie der Murnauer Verkehrsverein, heute Verschönerungsverein, setzten sich stark dafür ein, dass das Kurhaus Ludwigsbad als Moorkurbetrieb und die Marktgemeinde als Luftkurort offiziell anerkannt werden. 1963 verlieh der Bayerische Fachausschuss für Kurorte, Erholungsorte und Heilbrunnen tatsächlich entsprechende Zertifikate.
„Dadurch ist einiges an Infrastruktur entstanden, die das Leben der Murnauer bedeutend verbessert hat“, sagt Hruschka. Voraussetzung für die Verleihung des Zertifikats waren unter anderem eine geregelte Müllabfuhr und die Einrichtung einer Klimastation mit regelmäßigen Luftmessungen. Im Zuge der Anerkennung als Kurbetrieb durfte das Ludwigsbad ambulante Kuren anbieten. So wuchs in Murnau der Bedarf an Ferienunterkünften, auch private Vermieter zogen hier ihren Nutzen. 1977 wurde im Kurpark das Kurgästehaus (heute Kultur- und Tagungszentrum) eingeweiht. Das gemeindliche Reisebüro, die Gemeindebücherei sowie der Verkehrsverein fanden unter diesem Dach Platz, für die Mitarbeiter eine deutliche Verbesserung in der Unterbringung. In den 1990er Jahren wurde die westliche Entlastungsstraße mit dem Tunnel gebaut, aus dem Obermarkt wurde eine Fußgängerzone. „Der Ort hat in vielerlei Hinsicht Profit aus dem Zertifikat geschlagen.“ Auch wirtschaftlich. Schließlich konnte Murnau als „Luftkurort“ Kurbeiträge erheben.
Noch bis 1803 war Murnau ein wichtiges Verwaltungszentrum des Klosters Ettal, „das fiel mit der Säkularisation weg“, erklärt die Marktarchivarin. Umso bedeutender sei für die Marktgemeinde im 19. Jahrhundert der Fremdenverkehr geworden. „Und bis heute ist der Tourismus ein ganz wichtiger Aspekt.“
Das kann Alexandra Thoni, Leiterin der Touristinformation, nur unterschreiben. Ein großes Gewerbe – neben dem Einzelhandel – habe Murnau nicht. „Wir leben vom Tourismus.“ Zwar gebe es keinen Kur- und Gesundheitstourismus. Das ist für Thoni auch ein Grund, warum die jahrzehntelangen Bemühungen, den Titel „Bad“ im Ortsnamen tragen zu dürfen, gescheitert sind. Neben den strengen Auflagen und einem missglückten Verkauf der Seidlvilla an Investoren, was 1972 schließlich zum Abbruch des Hauses führte. Aber nichtsdestotrotz habe Murnau ja Kunst, Kultur, Bade- und Wandermöglichkeiten zu bieten. Die Touristen würden sich auch deswegen in Murnau wohlfühlen, „weil die Murnauer Gäste schon sehr früh gewohnt waren und deshalb da sehr offen sind.“ Es seien die Begegnung mit Menschen, die einen Urlaub ausmachen. Die seien noch einprägsamer als Bauwerke – und wichtiger als ein Zertifikat.